Hochschule

Nach Anstellungen an den Musikhochschulen Potsdam, Bern und Trossingen erhielt Carsten Eckert im Herbst 2012 einen Ruf an die Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien.

Die Ausbildung junger Musikerinnen und Musiker ist ein ganz besonderes Anliegen von Carsten Eckert. Seit nunmehr zwei Jahrzehnten hat eine Vielzahl von Studierenden die universitäre Ausbildung erfolgreich bei ihm abgeschlossen und einen Platz in der vielfältigen Berufswelt der Blockflöte gefunden. Der folgende Text fasst daher in loser Reihenfolge und ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige Überlegungen für einen zeitgemässen Blockflötenunterricht auf Hochschulebene zusammen.

Während die instrumentale Ausbildung auf Hochschulebene bei den meisten Instrumenten auf den pädagogisch-didaktischen Erkenntnissen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts beruhen und über die Jahre hinweg einen hohen Standard erreicht hat, gleichzeitig aber auch einer Standardisierung in den verschiedenen Parametern unterworfen wurde, ist es noch keine 40 Jahre her, dass die Blockflöte als ein noch ziemlich „unbeschriebenes Blatt“ in der Ausbildung auf Universitäts- oder Hochschulebene auftauchte. Seitdem hat sich das Bild sowohl auf dem Konzertpodium als auch im Bereich der methodisch-didaktischen Vermittlung ganz wesentlich geändert. Es gibt wohl kein Instrument, welches in den letzten Jahrzehnten methodisch-didaktisch so sehr hinterfragt wurde, wie die Blockflöte. Dieser Prozess ist keinesfalls abgeschlossen und muss sich auch auf Grund des künstlerischen und geschichtlichen Umfeldes, in dem sich die Blockflöte bewegt, ständig weiterentwickeln. So „zwingt“ uns das Vorhandensein nur weniger wirklich originaler Blockflötenwerke aus dem 15. bis 18. Jahrhundert immer wieder dazu, dass wir uns auf die Suche nach neuem Repertoire begeben. Auf diesen Entdeckungsreisen wird das Verständnis unseres Instrumentes immer wieder kritisch geprüft, da wir häufig mit Aufführungsanforderungen anderer Instrumente konfrontiert werden. Wirkliche Standardwerke, die beispielsweise den Beethovensonaten für die Pianisten, oder die Sonaten von Eugène Ysaÿe für die Violinisten entsprechen, kennen wir kaum. Die wenigen niveaubildenden und notierten Werke kann man vielleicht an zwei Händen abzählen. Hingegen: wie häufig müssen wir Texturen, die beispielsweise für Violine geschrieben sind, auf unser anscheinend begrenztes Instrument übertragen. Immer wieder werden wir vor schier unlösbare dynamische, klangliche aber auch aufführungspraktische Probleme gestellt. Herausforderungen, denen sich offensichtlich Blockflötisten auch im 16., 17. oder 18. Jahrhundert gestellt haben, wie man es beispielsweise an den Bearbeitungsversuchen der Violinsonaten von A. Corelli nachvollziehen kann. Und noch extremer verhält es sich in der zeitgenössischen Musik, bei deren Studium man fast bei jedem Werk von neuem mit dem Aufbau von Reflexen und Bewegungsabläufen beginnen darf. Standardisierte Modelle helfen dann recht wenig. Als Blockflötist bin ich gerade bei der Aufführungspraxis von zeitgenössischer Musik froh, dass die Standardisierung eine nicht so übermächtige Rolle spielt wie bei traditionelleren Instrumenten und dies mich zum Suchen „erzogen“ hat.

Es ist gewiss ein grosser Verdienst der „Amsterdamer Schule“, dass das instrumentale Handwerk und damit verbunden das technische Niveau enorm gesteigert wurde und für den Unterricht in gewisser Weise systematisiert wurde.

Das Entwickeln des instrumentalen Handwerks bildet einen wesentlichen Bestandteil meines alltäglichen Unterrichts. In ihm lege ich grossen Wert auf ein umfassendes Verständnis des Instruments. Ohne ein tiefgreifendes Verstehen und Erforschen des Instrumentes stösst man bei dem stilistisch so heterogenen Repertoires für die Blockflöte schnell an die Grenzen der Expressivität. Die Ausbildung der fundamentalen technischen Fertigkeiten dient immer der „Öffnung“ der Ausdruckskanäle und damit der Entwicklung einer individuellen und persönlichen Sprache auf dem Instrument. Sie geschieht in „Werkstätten“ oder „Laboratorien“ sowohl auf dem Hintergrund historischer Quellen und orientiert an den vorhandenen Werken, als auch abstrahiert, auswendig, ohne Notenfixierung und führt dazu, unsere Reflexe auf flexible Art zu entwickeln und zu schulen, um uns nicht zuletzt Souveränität auf dem Podium zu verleihen. Es ist ein enorm kreativer Prozess, da die Übungen jeweils individuell auf die Studierenden und deren Niveau zugeschnitten werden und häufig einen improvisierenden Gestus haben.
Der beschriebene technische Aufbau geht Hand in Hand mit dem Erarbeiten des Repertoires. Hier liegt natürlich ein Hauptgewicht auf dem Repertoire des 16. bis 18. Jahrhunderts, welches themenzentriert beispielsweise in einer „Werkstatt für Diminution und Ricercare“, in einer „Werkstatt für ´Methodische Sonaten´“ oder in einem „Laboratorium für Transkription“ oder in einem Semesterschwerpunkt „Komposition versus Improvisation“ etc. aufbereitet wird. Die Sorgen über das anscheinend begrenzte Repertoire für Blockflöte lässt die Beschäftigung mit den verschiedenen Verzierungspraktiken vergessen. Die Resultate der Werkstätten sind mit den aufführungspraktischen Seminaren vernetzt und werden immer wieder in Vortragsabenden, Konzerten etc. der Öffentlichkeit präsentiert.

Neben der Solo- und Sonatenliteratur bildet die „Music for Consort“ einen weiteren Schwerpunkt. Das enorm reiche Repertoire wird viel zu selten in einer adäquaten Weise aufgeführt und stellt für uns einen „Juwel“ der Blockflötenliteratur dar. Aus diesem Grund wird ab dem Wintersemester 2014 ein eigenständiges Aufbaustudium für Ensemble an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien etabliert. Dieser bildet eine Reminiszenz an die Tradition des „Wiener Blockflötenensembles“, welches in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ganz wesentlich das Repertoire wieder in das Bewusstsein des Konzertpublikums gerufen hat.

Ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung sollte die zeitgenössische Musik und die behutsame Entwicklung eines eigenen Repertoires sein. Kaum ein anderes Instrument ist für die „Wanderschaft“ zwischen der Alten Musik und Neuen Musik besser geeignet als die Blockflöte. In den letzten zwanzig Jahren konnten immer mehr namhafte Komponistinnen und Komponisten gewonnen werden, die auch durch die neu konzipierten und konstruierten Instrumente (beispielsweise Paetzold-Flöte oder Helder-Flöte) eine bisher nicht gekannte Klanglichkeit in ihren Werken verwirklichen konnten. Immer weniger werden instrumentale Grenzen thematisiert und „problematisiert“. Vielmehr entstehen lustvolle, klischeeentfernte Skulpturen, die so gar nichts mehr mit dem Instrument "Blockflöte" zu tun haben und gerade deshalb originaler nicht sein können.

In den meisten Hochschulen wird häufig das Repertoire der zeitgenössischen Sololiteratur gepflegt und viel weniger die zeitgenössische Ensembleliteratur. Dies hat zum Teil pädagogische Gründe, aber hat seine Ursache manchmal auch in Repertoireunkenntnis oder organisatorischen Problemen. Eine lohnende Herausforderung ist es, die Blockflöte viel stärker in die verschiedenen gemischten Ensembles für zeitgenössische Musik zu integrieren, um somit die in meist sehr hoher Qualität vorliegenden Kompositionen der jüngeren Komponistengeneration zu erarbeiten und auch die Blockflöte durch die Konkurrenz der anderen Instrumente zu stimulieren. Eine enge Vernetzung mit der Kompositionsabteilung und dem Ausbildungszweig Musikdesign und Medienkunst sollte zur Selbstverständlichkeit gehören und die Studierenden zu einem interdisziplinären Denken anregen, ohne welches sie sich in einer medialisierten Welt nicht mehr zurecht finden werden.

Entscheidend für eine Ausbildung zu einem/r selbstständigen Interpreten/in ist die Wahrung der Balance zwischen Intuition und Ratio, zwischen interpretatorischer Experimentierfreude und Kommunikation und musikwissenschaftlichem Forscherdrang.

Weitere Informationen für ein Studium bei Carsten Eckert unter https://mdw.ac.at/altemusik/studien/